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        Ein Fernseher, ein Schrank, ein Sofa. Deutsche 
        Gewöhnlichkeit. Vielleicht vier Meter breit, acht lang. Grohmann steht 
        und schweigt. 
        "Mein Lebenswerk", sagt Grohmann und macht ein 
        ernstes Gesicht. An der Schmalseite der Stube, vor einem Behang aus 
        langen weißen Lamellen, glänzen auf hohem Getüm schwarze Maschinen. In 
        den Ecken schwarze Lautsprecher, höher als ein Kind. Die Kabel, kaum 
        schlanker als ein Feuerwehrschlauch. 
        "Aufs Sofa", bittet Grohmann, "genau in die Mitte."
        
        Er legt eine Platte ins Laufwerk. 
        "Am besten nicht zurücklehnen. Setzen Sie sich auf 
        die Kante." 
        Grohmann drückt die Taste. Eine Frauenstimme hebt 
        an. 
        "Und jetzt schließen Sie die Augen", sagt Grohmann, 
        "dann erst haben Sie Ihr wirkliches Musikerlebnis." 
        There's a Rose in Spanish Harlem. There's a Rose in 
        Spanish Harlem. Grohmann stellt sich in die Küche, wartet, bis das Stück 
        zu Ende ist, fragt den andern, Ungeduld in der Stimme: "Und?" 
        Der öffnet die Augen und antwortet: "Wahnsinn." 
        "Diese Luftigkeit", verbessert Grohmann, "diese Perligkeit, dieses 
        mühelose Filigrane." 
        Grohmann läßt sich aufs schwarze Leder nieder: "Nun 
        zu Ihren Fragen." "Was, Herr Grohmann, ist der Zweck Ihres Tuns?" 
        Grohmann holt Luft. 
        Seit Jahren sei er auf der Suche nach der - und da 
        komme ihm kein besseres Wort in den Sinn - letzten Wahrheit. Wahrheit, 
        in seinem Falle, bedeutet Natürlichkeit. Absenz von Vordergründigkeiten. 
        Das Fehlen, zum Beispiel, von Effekten, aufgeblähten Bässen oder 
        scharfen Höhen. Kurz: einen Ton mit technischen Mitteln so 
        wiederzugeben, wie er in der Natur erklingt, nicht weniger, nicht mehr. 
        Grohmann hat ein ernstes Gesicht. Anfang der achtziger Jahre saß 
        Grobmann, im eigentlichen Leben Stukkateur, bei einem Freund erstmals 
        vor einer Anlage, die so ganz anders klang als die eigene, 2500 Mark 
        billige. Da schien ihm, befreiend tropfe Wachs aus seinen Ohren, da 
        hörte er Dinge, die er noch nie gehört hatte. Wie die Sängerin Luft 
        holte. Wie ihre Stimme, statt hart und plötzlich abzubrechen, langsam 
        und schmelzend in sich erlosch. 
        "Ich war", härtet Grohmann das Ereignis, "emotional 
        angesprochen." Seither ist sein Leben die Hatz nach dem naturidentischen 
        Ton. Er kaufte sich teure Apparate und vernahm doch nur den Klang der 
        Enttäuschung. Grohmann, nicht mehr zu halten, fuhr durchs Ruhrgebiet, 
        fand nirgends, wonach er fahndete. Stellte er, dem Glück schon nahe, 
        einen Lautsprecher, der im Baßbereich das Wahre, das Neutrale versprach, 
        log und betrog derselbe in den Mitteltönen. Genügte einer hier, versagte 
        er dort. Eine Welt der Falschheit. 
        Was Grohmann suchte, war noch nicht geschaffen. 
        Also stieg er eines Tages in den Keller, Bogenstraße 3, und begann zu 
        entwickeln. So leidenschaftlich und ausdauernd, daß seine erste Ehe 
        zerbrach. 
        "Was Sie hier sehen, sind die Früchte von mehr als 
        15 000 Arbeitsstunden", sagt Grohmann. Jetzt lächelt er. Dann steht er 
        auf, schiebt wieder eine CD ins Fach. 
        "Schließen Sie die Augen." Entschwindet in die 
        Küche. 
        Geigen. 
        "Und?" fragt Grohmann. "Mir fehlen die Worte." 
        "Hören Sie die Luft zittern? Spüren Sie den Raum?"
        
        War Stukkateur Grohmann nicht auf Baustellen, 
        krümmte er sich über Lautsprecher, Tonbasen, Kabel. Er schlief kaum 
        sechs Stunden täglich, und überkam ihn nachts um drei eine Idee, stand 
        er auf, schlaflos, ohne Appetit, aber von einer Lösung gestreift, 
        schlich ins Wohnzimmer, probierte aus, die Lautstärke schwach gestellt. 
         
        "Es ist eine Sucht", sagt Grohmann. Dann sagt er: 
        "Aber eine positive."  Zweitausendmal habe er sich auf einer 
        bestimmten CD eine bestimmte Stelle angehört, vielleicht fünf Sekunden 
        lang, 2000mal diese bestimmte 5 Sekunden lange Stelle, wo eine Sängerin 
        leicht gepreßt singe, 2000 Momente der Hoffnung und der Zerstörung, bis 
        endlich aus dem Lautsprecher drang, was dringen soll. Natürliche 
        Dynamik. Tonalität. Homogenität. Transparenz. Eine Komposition des 
        absolut Ausgewogenen. Die nackte Stimme, akustisch eingebunden im Raum.
        
        Verstehen Sie, was ich meine? Das eine ist Hi-Fi, 
        das andere ein Musikerlebnis." 
        Grohmann geht einige Schritte über den roten 
        Teppich, sein Rücken schmerzt. 
        "Haben Sie, Herr Grohmann, Ihr Ziel erreicht?" 
        Grohmann schweigt. Er schürzt die Lippen 
        bedeutungsschwer, wiegt den Kopf: "Ich darf sagen: Ich habe es praktisch 
        erreicht. Vor vielleicht sechs Wochen. Und Sie sind, außerhalb eines 
        ganz kleinen Kreises, der erste, der in den Genuß davon kommt." 
        Gitarrenspiel. 
        "Manchmal", sagt Grohmann, "wenn ich Musik höre, 
        kann ich mit geschlossenen Augen die Ecken des Raumes sehen. Sie auch?"  
        Grohmanns schwarzes Lautsprecherpaar, millimetergenau ins Wohnzimmer 
        gestellt, wiegt eine halbe Tonne. Die Decken der Boxen sind mit 
        Bleikügelchen gefüllt, deren Feinheit er über die Jahre ermittelt hat. 
        Denn Schall, weiß er, bedeutet Druck, Erschütterung, Energie. Und die 
        müsse in Wärme gewandelt werden. Mittels Bleikügelchen. Weil die 
        Wahrheit sich erst einstelle, wenn das vermittelnde Medium keinem Druck 
        mehr nachgebe. 
        Deshalb auch die 16 Kilogramm schweren und mit 500 
        Kilopond festgeschraubten Aluminiumrohre, die den Baß jeder 
        Eigenbewegung beraubten. 
        Außerdem: keine Kante, keine Ecke an diesen 
        Chassis, die nicht ihren Zweck erfüllten. 
        Wichtig, sagt Grohmann, sei besonders der 
        Abstrahlwinkel. Und erst das Ausschwingverhalten dieser 
        Referenzlautsprecher! Extrem extrem sauber. "Stellen Sie sich vor: Jede 
        Membran ist handgefertigt und handzentriert, eine hauchdünne 
        federleichte Aluminiumfolie, die auf Hartschaum gedampft ist, extrem 
        steif, kein Eigenklang, die Membran des Mitteltöners ist 0,8 Gramm 
        schwer, stellen Sie sich das vor, 0,8, können Sie sich das vorstellen?"
        
        Grohmann schweigt. 
        "Meine Lebenskraft reicht aus, zehn solche Paare zu 
        bauen, dann werde ich verbraucht sein." 
        Während tausend Stunden plagte sich Grohmann über 
        seinem Meisterwerk, das er ego.6 nennt, e für Erwin, g für Grohmann, o 
        für Oberhausen und .6 für die Fläche der Membrane. Käme einer und würde 
        es bei Grohmann bestellen, er hätte 120 000 Mark dafür auf den Tisch zu 
        blättern. Für diesen Glücksfall hat Grohmann einen Prospekt entworfen. 
        Darauf steht geschrieben: "Die Qualität der Musikwiedergabe ist mit den 
        bisherigen Bewertungsparametern nicht erfaßbar und somit einzigartig."
        
        Grohmann, eine Zigarette nach der andern, stellt 
        seine Gerätschaft laut. Also sprach Zarathustra. Die Glastüren des 
        Wohnschranks beginnen zu zittern. Die Nachbarn beschwerten sich selten, 
        sagt er. Sie sind seine Mieter. 
        “Eigentlich", sagt Grohmann, "sollte man erst am 
        Nachmittag Musik hören. Weil die Seele sich erst gegen Abend für Musik 
        öffnet." 
        "Welche Musik hören Sie am liebsten?" 
        "Ach", windet sich Grohmann, "eigentlich keine 
        bestimmte." 
        Er dreht sich zum Wandschrank, greift ein kleines 
        Fläschchen, eine Flüssigkeit darin. Seine Forschung, sagt Grohmann, höre 
        nie auf. Er habe, gleichsam nebenbei und ohne Ambition, auch ein 
        CD-Reinigungsmittel entwickelt, bestehend aus hochreinem Chemiealkohol 
        und einigen Ingredienzen. Diese Mixtur wirke bestens, vor allem im 
        mittleren Hochtonbereich, er begreife zwar nicht restlos wieso, aber er 
        nehme an, daß sie die Reflexionen, die das Ganze unsauber machten, 
        erheblich mindere. 
        "Herr Grohmann, was war Ihr glücklichster Moment?" 
        Er überlegt lange, spitzt wieder den Mund. 
        "Das war", sagt Grohmann, "als ich meine Kabel 
        fertig hatte." 
        Zweihundert deutsche Kabelfirmen lud Grohmann im 
        Lauf der Jahre ein, ihm ein Kabel zu fertigen, dessen einzelne kupferne 
        Litzen den Durchmesser von einem Zwanzigstelmillimeter haben, dünner als 
        ein Menschenhaar. Denn dies, hatte Grohmann herausgefunden, fördere den 
        Grad der Auflösung. 200 sagten ab, bis Grohmann die Fabrik fand, die ihm 
        den Wunderfaden liefert. 
        "Denn Kabel", sagt Grohmann, "sind nach den 
        Lautsprechern das Allerwichtigste." 
        Grohmann wickelte sie ständig neu, wickelte sie gar 
        wider die physikalische Logik, um herauszufinden, was dann geschähe. So 
        grenzte er Möglichkeiten ein und aus, ein Prozeß von Ewigkeiten, allein 
        in der Tiefe seines Kellers, und was heute endlich in Grohmanns Stube 
        liegt, zwischen Lautsprechern und Weiche und Vorstufe und Wandler und 
        Laufgerät und Netzanschluß, wiegt 140 Kilo, ein Typ Kabel wie nirgendwo 
        hienieden. 
        "Die bringen eine Verbesserung um Tausende von 
        Prozenten." 
        In seinen Prospekt druckte er die Warnung: "Die 
        Grenzen des Klangpotentials dieser Kabel konnten bis dato auch mit den 
        hochwertigsten Hi-Fi-Komponenten nicht erkennbar werden. Da unsere Kabel 
        ein sehr hohes Gewicht haben, müssen bei der Installation an den Geräten 
        mitgelieferte Halteschlaufen angebracht werden." 
        Helfen konnte Grohmann keiner, wenn er an seiner 
        Werkbank stand. Hatte er ein Kabel fertig - um eines fertigzubringen, 
        mußte er in guter körperlicher und seelischer Verfassung sein -, 
        schmerzten ihn die Gelenke. In einer Woche, 50 Stunden, schaffte er drei 
        Meter. 
        Grohmanns Kabel sind eingespannt in ein Rohr aus 
        Polyvinylchlorid, umgeben von nichts als Luft. Dieses Rohr steckt in 
        einem zweiten, einem handelsüblichen Abflußrohr, und den Raum zwischen 
        beiden füllte Grohmann mit feinkörnigem Blei. Endlich überzog er das 
        Ding mit schwarzem Kunststoff, für den Laufmeter müßte Grohmann, wollte 
        jemand ihn kaufen, fast 2000 Mark verlangen. 
        "Sie machen sich keine Vorstellung von dem Glück", 
        sagt Grohmann, die Augen feucht, "als ich erstmals auf diesem Sofa saß, 
        alles verkabelt war, als ich die Augen schloß und Musik hörte, nur 
        Musik, rein und natürlich. Wahrheit." 
        Er schnappt nach der nächsten Zigarette. 
        "Sind Sie fähig, Musik zu genießen, ohne ständig zu 
        merken, was falsch wiedergegeben wird?" 
        "Gute Frage", sagt Grohrnann und läßt sich Zeit. 
        "Seit sechs Wochen erst. Seit dem jüngsten Kabel." 
        Er hinkt über den Teppich. "Macht Perfektion 
        einsam?" Grohmann bleibt stehen. 
        "Sie sehen das richtig. Wer bis zum Ende geht, wie 
        ich, verliert die Basis mit andern." 
        High-End-Messen, wenn die Industrie alljährlich 
        ihren neuesten Überfluß ausführt, sind Grohmann ein rechter Graus. 
        Einmal nur, vor Jahren, hat er sich dorthin verirrt und lauter Lügen 
        vernommen, brummige Bässe, schneidende Höhen. 
        Daß einer ständig anderen Maschinen nachsetzt und 
        nicht merkt, wie vordergründig, billig und falsch die Töne sind, die sie 
        gegen teures Geld entlassen, wird Grohmann sein Lebtag nicht begreifen. 
        Plötzlich seufzt er: "Die Welt steht vor dem Untergang. Ist überhaupt 
        kein Thema." "Warum dann noch Ihre Suche?" "Ich tue es für mich." 
        Grohmann legt eine Platte ein. 
        „Für die Jahre, die ich noch zu leben habe. Und 
        wenn ich von dem, was ich entwickle, etwas verkaufen kann - um so 
        besser." Eine Operettenarie. 
        "Ach übrigens, meine Membranen könnte die Industrie 
        zwar nachbauen, maschinell, aber dann spielte das Chaosprinzip nicht, 
        das den richtigen Ton garantiert - weil in Industriemembranen die 
        Moleküle alle gleich gerichtet sind, wie Soldaten, und nicht frei und 
        verschieden." Auch dies, sagt Grohmann, sei ein Geheimnis der Wahrheit. 
        Das Chaos. Wie jenes, daß jede Erschütterung den Klang verfälsche. 
        Deshalb entkoppelt Grohmann mehrfach. Seine Kabel sind nicht nur in 
        Luftröhren gespannt und von Blei ummantelt, zusätzlich sind sie auf 
        kleine schwarze Stoßdämpfer gebahrt. Lautsprecher, Weiche, Wandler und 
        Laufwerk, mit schwarzem Granit belastet, ruhen auf Tonbasen, flachen 
        Gebilden, die aus 50 verschiedenen Dämpfungsschichten bestehen. Deren 
        Abfolge hat Grobmann erdacht, Bitumen auf Blei auf Silikon auf Kautschuk 
        auf Biturnen auf Silikon. 
        Die Erfindung allerdings gelang ihm erst nach einer 
        langen Reihe mühevoller Versuche, während deren die neue Ehefrau, dem 
        naturbelassenen Klang so verfallen wie ihr Mann, Wandler und Laufwerk an 
        Gummiseilen in der Luft gehalten hat, um sie vom Planeten Erde zu 
        entheben. Die Kinder der Frau läßt Grohmann nicht an seine sensiblen 
        Maschinen. 
        "Haben Sie einen Traum?" "Einen Traum?" fragt er.
        
        "Einen Traum", sagt er und wiegt das ernste Haupt. 
        "Den gibt es. Eine ganze Anlage, vom Lautsprecher bis zum Laufwerk, 
        selber zu bauen. Aber dafür reicht mein Leben nicht." 
        "Und eine Angst?" 
        "Daß eines Tages nichts mehr zu verbessern ist", 
        sagt Grohmann.
         
         
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